Für die Coop-Zeitung schaute Britta Wiegelmann tief ins Glas, um herauszufinden, was das neue Jahr in Sachen Wein verspricht. Gefunden hat sie heisse Trends von A wie Alkoholfrei bis Z wie Zoom-Degustationen.
Ein Glück, dass es Wein gibt! «Er lässt uns reisen, entdecken, teilen und manchmal auch vergessen», philosophiert Britta Wiegelmann. «Welches andere Getränk kann das schon? Darum starten Sie trotz – nein gerade wegen – aller Widrigkeiten ins neue Jahr.» Mit diesen Worten liefert die Weinexpertin einige Inspriationen.
Drink at home
Im surrealen Jahr 2020 hat sich so ziemlich alles nach Hause verlagert: Arbeiten und Shoppen {danke Internet!), feines Essen (hallo, Küchenexzesse!) und auch das Weintrinken. Die Händler wussten sich anzupassen: Blitzlieferung, geschenkte Portokosten, spannende Entdeckungspäckli – wir konnten zwar nicht Reisen, aber unser Weinhorizont ist dadurch nicht kleiner geworden. Im Gegenteil: Sogar der Winzer kommt neu auf Instagram, Facebook oder per Livestream direkt zu uns nach Hause. Das sind Trends, die auch nach der ersehnten Rückkehr zur Normalität gerne bleiben dürfen.
Alkoholfrei, bitte
Hand aufs Herz, hat sich bei Ihnen die Apéro-Stunde während der Stay-at-Home-Zeit auch ein bisschen nach vorne verlagert? Kein Drama, doch wenn man am nächsten Morgen frisch sein will fürs Homeoffice, gilt es, Alternativen zu Bier und Wein zu finden (was die Winzer nicht gerne hören). Trotzdem boomen zur Zeit alkoholfreie Drinks: Wein mit null Prozent wie etwa der «Natureo» des spanischen Weinpioniers Miguel Torres, hausgemachte Shrubs, also Drinks auf Basis von essigmazerierten Früchten, alkoholfreie Aperitifs wie der Kräuterbitter Crodino, Kombucha, herber Eistee... Nüchtern, aber nicht ernüchternd.
Lass es prickeln
Der Schaumweinmarkt wächst ungebremst. Im Aufwind sind vor allem Nicht-Champagner wie Prosecco, Franciacorta und Cava sowie heimische Winzersekte, von denen auch die Schweiz einige vorzuweisen hat. Diese Schäumer haben in den letzten Jahren rasant an Qualität zugelegt. Und mit oft sanfteren Preisen als der französische Platzhirsch machen sie auch den Wochentag zum Fest. Überzeugen Sie sich selber.
Link zu Schweizer Schaumweinen
Wein spricht Schweizerdeutsch
Schweizer Wein ist cool! Sogar die hippsten Weinfreaks haben einheimische Tropfen für sich entdeckt. Besonders begehrt sind aktuell Weine aus der Deutschschweiz: duftiger «cool climate»-Pinot-Noir etwa, mineralischer Räuschling vom Zürichsee oder der uralte Completer aus der Bündner Herrschaft, von dem es weltweit nich einmal mehr zehn Hektaren gibt. Warum in die Ferne schweifen? Ein Trend, der perfekt zum Zeitgeist passt.
Hoch hinaus
Es wird wärmer in den Weinbaugebieten der Welt. Ein Hitzesommer jagt den nächsten, und viele Reben wird es an ihrem angestammten Ort langsam, aber sicher zu warm. Die Lösung: Immer mehr Winzer streben in die Höhe. An Berghängen und auf Hochplateaus finden die Rebstöcke die ersehnte Abkühlung. «High altitude» heisst das Stichwort in den Mittelmeerländern und in Übersee. Die Weine danken es mit einem neuen Qualitätshoch.
Fruchtweine
Wein muss nicht zwingend aus Trauben gekeltert sein. Sicher Kennen Sie Cidre oder andere Varianten von Öpfelmoscht. Aber haben sie schon mal einen Schäumer aus Quitten oder Birnen probiert? Oder Beerenwein aus Skandinavien? Falls Sie jetzt denken «ist mir zu süss», können wir Sie beruhigen. Genau wie beim Wein aus Trauben kann auch der Zucker anderer Früchte komplett vergoren werden. Das Resultat ist ein Geschmackserlebnis der besonderen Art.
Naturwein verlässt die Nische
Kurze Erklärminute für Einsteiger: Als Naturwein bezeichnet man Weine auch biologische oder biodynamisch erzeugten Trauben, die ohne Zusatzstoffe oder kellertechnische Eingriffe erzeugt wurden. Sie sind unter anderem spontanvergoren, kaum filtriert und höchstens mit minimaler Schwefelzugabe gefüllt. Eine Nische, aber eine, in der sich immer mehr Weinfreunde umschauen. Und das lohnt sich: Diese funky und nachhaltigen Tropfen sind es wert, entdeckt zu werden.
Ein Hoch auf die Underdogs
Je mehr Menschen sich für Wein begeistern, desto mehr erweitert sich der kollektive Horizont. Das heisst im Klartext: Der Wissensdurst wird grösser, unterschätzte Regionen und vergessene Trauben rücken ins Rampenlicht. Ob Weinländer wie Georgien, Kanada oder Slowenien, ultralokale Trauben wie Bondola aus dem Tessin, Poulsard und Trousseau aus dem Jura oder Assyrtiko aus Griechenland – sie erleben gerade ein massives Revival.
Rote Leichtgewichte
Amarone, Primitivo und Co. sind ewige Bestseller. Doch es gibt einen Gegentrend: leichte Rote (Auch da wiegt der Inhalt einer Flasche 750 Gramm. Sprechen wir also von frischfruchtigen und lebendigen Rotweinen.). Wir lieben sie aus mehreren Gründen. Ersten steigen sie deutlich weniger zu Kopf als ihre opulenten Brüder. Zweitens passen sie fantastisch zum Essen, sogar zu klassischen Weissweingerichten wie Fisch, Geflügel oder Käsefondue. Und drittens zählen duftige, beschwingte Trauben wie Pinot Noir und Gamay zu den absoluten Trümpfen des Weinlands Schweiz. Bringen Sie Leichtigkeit in Ihr Leben.
Schluss mit der Glasmenagerie
Dürfen wir Ordnung in Ihre Schränke bringen? Die Zeit der 1001 Spezialgläser ist vorbei. Lange gehörte es zum guten Ton, für jeden nur denkbaren Wein ein eigenes Glas zu besitzen: für jungen Bordeaux, für gereiften Bordeaux, für Champagner und andere Schaumweine, für siebeneinhalb Jahre alten Chianti... Wir übertreiben, aber nur ein wenig. Heute hat sich der Wind um 180 Grad gedreht. Es gibt universal verwendbare Gläser, die zeigen, wie multifunktional ein einziger Kelch sein kann. Entrümpeln ist angesagt.
(Quelle: Coopzeitung)