2019-09-18

Weinernte 2019 - «Der Schweizer Wein profitiert vom Klimawandel»

Dank steigender Temperaturen seien die guten Jahrgänge in der Schweiz nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel, sagt Thomas Vaterlaus, Chefredaktor des Weinmagazins «Vinum». Allerdings steige mit extremeren Wettersituationen auch das Risiko von Missernten.

Morgengast Thomas Vaterlaus, Chefredaktor Weinmagazin «Vinum». Mit einem Klick auf das Bild können Sie den SRF-1-Beitrag hören. (Bild zVg)

SRF: Das Jahr 2018 war ein Top-Weinjahr. Was für eine Prognose Stellen Sie dem Jahrgang 2019?
Thomas Vaterlaus: Eine sehr gute. Vermutlich wird der Jahrgang nicht ganz so stark wie 2018, der von der Menge und der Qualität her wirklich ausserordentlich war. Aber auch 2019 wird ein sehr gutes Jahr.

«Früher waren von zehn Jahren sieben zu nass und drei gut. Heute sind sieben fast perfekt und drei zu warm.»

Thomas VaterlausChefredaktor «Vinum»

In den letzten Jahren hat man oft von guten Jahrgängen gesprochen. Ketzerisch gefragt: Tut die Klimaerwärmung den Weinen gut?
Je wärmer es wird, je mehr Sonne die Reben bekommen, desto schwerer wird der Wein. Und das mögen die allermeisten Konsumentinnen und Konsumenten – füllige Weine mit viel Alkohol. Die Chance, solche Weine zu produzieren, ist in den letzten Jahren gestiegen. Aus Sicht der Konsumenten ist die klimatische Veränderung also eine positive Entwicklung.

Der Klimawandel verhilft uns zu besseren Weinen. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?
Das ist einfach die logische Konsequenz. Noch vor 20 bis 30 Jahren lag die Deutschschweiz geografisch am Rande des Gebiets, wo man Wein anbauen konnte. Jetzt ist sie ins Zentrum dieses Gebiets mit optimalen Bedingungen gerückt. Ein Interessanter Vergleich: Noch in den 1980er-Jahren ging man davon aus, dass von 10 Jahrgängen 7 zu kühl und zu nass sind und nur drei gerade gut. Heute ist das ganz anders: Von 10 Jahren sind 7 klimatisch fast perfekt, 3 sind eher zu warm.

«Es ist möglich, dass in der Schweiz künftig Sorten angebaut werden, die wir bisher aus Südeuropa kennen.»

Thomas VaterlausChefredaktor «Vinum»

Die extremeren Wetterverhältnisse haben aus Winzersicht aber nicht nur positive Seiten …
Die Wetterkapriolen nehmen zu, Hagel zum Beispiel oder noch schlimmer: Frost. Ihnen ist der Winzer hilflos ausgesetzt. Das Risiko einer Missernte ist in den letzten Jahren gestiegen.

Wie verändert der Klimawandel die Traubensorten in der Schweiz? Was für Weine stehen künftig in unseren Regalen?
Wenn die Klimaerwärmung weitergeht wie in den letzten Jahren, kann ich mir schon vorstellen, dass künftig andere Sorten angepflanzt werden. Vielleicht vermehrt Sorten, die wir bisher eher im südlichen Europa finden, im Mittelmeerraum. Im Gegenzug wird es für die hiesigen Burgundersorten tendenziell schwieriger. Sie verlieren bei zu viel Sonne ihre Eleganz. Langfristig könnte es bei den Sorten deshalb zu einer Ablösung kommen.

Der Schweizer Wein wird also mediterraner. Was heisst das für die Winzer in Spanien, wenn es auch dort noch wärmer wird?
Dort stösst man an Grenzen. Wenn es topografisch möglich ist, kann man mit dem Weinanbau zwar in höhere Lagen ausweichen. Aber im Flachland am Mittelmeer ist es dann vielleicht irgendwann zu heiss, während wir in der Schweiz immer idealere Bedingungen bekommen.

(Quelle: Stefan Siegenthaler/Radio SRF 1)


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