Grossverteiler und Discounter buhlen mit grosszügigen Rabatten um jeden Kunden. Gastronomen sind gut beraten, wenn sie sich von grossen Weinmarken distanzieren und auf Spezialitäten setzen.
Organisationen wie die Swiss Wine Promotion, die Vereinigung Vinea oder die Association pour la Promotion du Chasselas unternehmen alles, um das Image von Chasselas, Merlot, Pinot Noir und dem Schweizer Wein im Allgemeinen anzuheben. Langsam tragen ihre Werbekampagnen Früchte. Parallel zur Qualität steigt auch das Image des Schweizer Weines. Das belegt die weinwirtschaftliche Statistik des Bundesamtes für Landwirtschaft.
So hat im Jahr 2013 der Gesamtverbrauch an Wein um zwei Prozent zugenommen. Mit einem Plus von 10,2 Prozent ist die Situation beim Schweizer Wein besonders erfreulich. In der gleichen Zeit hat der Konsum von ausländischem Wein dagegen um 2,6 Prozent abgenommen. Nach wie vor sind die Regale in den Läden voll, und es tobt ein Verdrängungskampf sondergleichen.
Bei all den Rabatten bleibt die Wertschätzung für das Produkt Wein auf der Strecke. (Bild: zVg)
Konsumenten profitieren vom «Wein-Krieg»
Seit Wochen schmeissen Grossverteiler und Discounter mit Prozenten um sich. Coop offeriert «20 Prozent auf alle Weine». Bestimmte Weine gibt es gar zum halben Preis. Wenn der grösste Weinhändler der Schweiz – Coop setzt jährlich rund 34 Millionen Liter um – mit Hammerangeboten Kunden anlockt, tut dies auch Denner, mit etwas mehr als 32 Millionen Liter die Nummer zwei im Geschäft mit dem vergorenen Traubensaft. Dazu kommt Manor, wo beim Kauf eines Sechser-Kartons nur vier Flaschen bezahlt werden müssen. Auch Spar, Aldi und Lidl schärfen ihre Weinprofile und wollen sich ein Stück vom lukrativen Kuchen abschneiden.
Die einzigen, die davon profitieren, sind die Konsumenten. Noch nie konnte Wein so günstig eingekauft werden. Es besteht die Gefahr, dass Wein wie Waschmittel nie mehr zum vollen Preis verkauft werden kann. «In absehbarer Zeit gibt es nur noch einen Weinpreis», sagt Yvo Magnusson von Globalwine. «Und das wird der günstigste sein.»
Fachhändler stehen im Dienst der Gastronomie
Wenn zwei Giganten miteinander um Marktstellungen streiten, geht das nicht ganz ohne Nebengeräusche. Ein angespanntes Knistern hört man deshalb auch aus dem Fachhandel, der die Gastronomie beliefert. Das Weinhaus Zweifel Weine in Zürich beispielsweise offerierte seinen Kunden ebenfalls 20 Prozent Rabatt-Gutscheine. «Die sind ein Dankeschön an unsere Kunden», sagt Geschäftsführer Walter Zweifel. «Im Gegensatz zu den Grossverteiler-Angeboten sind sie nur einmal einlösbar, nur gegen Abholung sowie Barzahlung, und sie sind nicht auf schon rabattierte Artikel anwendbar.» Die «verlorene» Marge schmerze, doch wer etwas schenke, gebe immer etwas weg. Und Vieles komme in Form von Kundentreue wieder zurück. Quersubventionierte, generöse und permanente Rabatte lägen im Fachhandel nicht drin.
«Die Gastronomie profitiert jedoch von individuellen Angeboten mit Rabatten und Aktionen, natürlich immer verbunden mit dem üblichen Lieferservice und den Zahlungskonditionen», sagt Walter Zweifel. Es sei schon möglich, dass gewisse Gastronomen bei Markenprodukten zu den Grossverteilern abwandern würden. «Wir produzieren unsere Weine selber oder importieren diese als General- oder Direktimporteur von kleinen Produzenten aus der ganzen Welt», präzisiert Walter Zweifel. «Damit haben wir ein eigenständiges und praktisch nicht vergleichbares Weinsortiment und gewinnen mit diesem national viele Prämierungen.»
Jede Medaille hat zwei Seiten. «Exzessive Rabatte werten das Produkt Wein ab», gibt Bruno Jeggli, Weinhändler und Präsident von Zertivino, der Vereinigung der Zürcher Weinfachgeschäfte, zu bedenken. Aber er freut sich auch: «Durch die Werbung ist Wein omnipräsent und breit gestreute Informationen machen ihn in jedem Haushalt zum Thema.» Die Mitglieder von Zertivino setzen auf eigenständige Weine und Beratung. «Wenn wir unseren Kunden Trouvaillen von selbstkelternden Winzern anbieten und erklären, zu welchen Speisen die besonders gut passen, ist der Preis plötzlich nicht mehr so wichtig», sagt Bruno Jeggli. «Die Gäste mit Produkten und Dienstleistungen zu begeistern, gilt auch für die Gastronomie.»
Und der Fachhandel bietet zahlreiche spannende Provenienzen zu attraktiven Preisen an. Wer günstige Weine beim Discounter einkaufe und Mainstream anbiete, gerate in Erklärungsnotstand, sagt Bruno Jeggli. Kaum ein Gast bezahle im Restaurant ein Vielfaches für Wein, der in Aktion angeboten wurde.
Nur schwer zu verstehen ist die Tatsache, dass der am Grand Prix du Vin Suisse mit der höchsten Punktzahl ausgezeichnete Weisswein nur einen Tag nach der Preisverleihung vom Produzenten zum Aktionspreis (8.80 anstelle von 11 Franken) angepriesen wurde. Doch der Markt ist frei. «Die Situation ist äusserst komplex», sagt Sébastien Fabbi, Geschäftsführer der Swiss Wine Promotion. «Jeder Winzer kann selber bestimmen, zu welchen Preisen er seine Weine an wen verkaufen will.» Natürlich wäre es wünschenswert, wenn für alle Produzenten die Wertsteigerung und das Image im Vordergrund stünden.
Genau diese Themen verhandelt die Swiss Wine Promotion mit den Verantwortlichen von Coop. Denn Coop ist nicht nur der grösste Händler von Schweizer Wein – rund die Hälfte der Produktion –, sondern auch Hauptsponsor beim Grand Prix du Vin Suisse. Und der Grossverteiler ist sich bewusst, dass er mit Schweizer Weinkompetenz Kunden gewinnen kann. «Sortenreine Petite Arvine von besten Terroirs gelten zum Beispiel als Ambassadore des Wallis. Doch es gibt auch solche aus weniger guten Lagen, die zudem mit 15 Prozent anderen Sorten verschnitten werden, was der Gesetzgeber erlaubt», sagt Sébastien Fabbi. Nun liege es an der Weinbranche, für Konsumenten verständliche Qualitätsstandards auszuarbeiten und diese durchzusetzen.
Spezialitäten für Individualisten wird es in Zukunft weiterhin geben. Viele Winzer produzieren kleine Mengen und können nicht zu tiefen Preisen liefern. Das macht sie für Grossverteiler nur beschränkt interessant.
Text: Gabriel Tinguely