0000-00-00

Falscher und Echter Mehltau

Die beiden wichtigsten Krankheiten, die regelmässigen Pflanzenschutz erfordern, sind der Falsche und der Echte Mehltau. Vor allem der Falsche Mehltau schafft in unserem feuchten Klima Probleme. Die beiden Mehltaukrankheiten waren ursprünglich in Europa nicht heimisch. Sie wurden im 19. Jahrhundert aus Nordamerika eingeschleppt.

 

Falscher Mehltau (Peronospora / Mildiou)

Schadbild
Alle grünen Rebteile können vom Pilz befallen werden. Blattbefall ist ab Mai möglich. Auf befallenen Blättern werden zunächst gelblich-ölige Aufhellungen (Ölflecken) sichtbar; kurz danach erscheint an diesen Stellen auf der Blattunterseite ein weisser Pilzrasen (Ausbruch), der allmählich nekrotisiert. Bei starkem Befall fallen die Blätter ab. Besonders anfällig sind die Gescheine, der Blütenstand der Weinrebe, an der sich später Trauben bilden sollten. An jungen Beeren wird ebenfalls ein weisser Pilzrasen sichtbar. Auch sie können verdorren. Ab Erbsengrösse der Traubenbeeren entsteht kein Pilzrasen mehr, sondern der Pilz wächst im Beereninnern; die Beeren färben sich bläulich-violett (Lederbeeren). Nach dem Erreichen dieses Entwicklungsstadiums können Beeren nicht mehr infiziert werden. Durch das Abfallen der Blätter wird die Rebe weniger gut versorgt, die Fruchtreife verzögert sich und der Fruchtzuckergehalt ist geringer.

Ende Sommer kann es zu Spätbefall der Blätter und Seitentriebe, der Geizen, kommen. In den befallenen Rebenblättern entwickeln sich im Herbst die Wintersporen des Falschen Mehltaus. Diese Sporen überleben im Laub, sind sehr widerstandsfähig und können mehrere Winter überdauern. Im Frühling braucht es jeweils einen kurzen, heftigen Regenguss mit grossen schweren Tropfen, damit die Sporen hochgewirbelt werden – und die Reben wieder befallen können.

Erreger
Der Falsche Rebenmehltau, verursacht durch Plasmopara viticola, ist eine der wichtigsten Krankeiten der Rebe in der Schweiz. An Hausrebstöcken kommt er seltener vor, da diese meist an Südwänden vor Regen besser geschützt sind, als freistehende Reben. In sehr feuchten Jahren kann es aber auch hier zu Befall kommen.

Der Pilz ist ein obligater Endoparasit und wirtsspezifisch. Er ist stets auf grünes Rebgewebe angewiesen. Die Überwinterung erfolgt als Winterspore (Oospore) in befallenem Reblaub und Trauben und im Boden. Die dickwandigen Wintersporen sind Überdauerungssporen und über mehrere Jahre lebensfähig. Der erste Befall (Primärinfektion, Bodeninfektion) kann erst bei mindestens acht Grad Celsius Bodentemperatur und gut durchfeuchtetem Erdreich stattfinden. Die Wintersporen treiben einen Keimschlauch, an dessen Ende sich ein gestieltes Primärsporangium bildet. Diese Sporangien können durch Niederschläge auf grüne Rebteile verfrachtet werden und entlassen dort bis zu 60 bewegliche Sporen (Schwärmsporen, Zoosporen). Mithilfe von zwei Geisseln bewegen sich diese Zoosporen bis zu einer Spaltöffnung, werfen die Geisseln ab und bilden einen Keimschlauch, der als Pilzhyphe durch die Spaltöffnung in die Zellzwischenräume des Blattgewebes einwächst. Durch Verzweigung der Pilzhyphen entwickelt sich das auch als «Myzel» bezeichnete Pilzgeflecht. Von den Hyphen ausgehend bilden sich «Saugfortsätze» (Haustorien) in die Blattzellen wodurch der Pilz seine Nahrung bezieht. Auf dem Blatt werden dadurch die so genannten «Ölflecken» sichtbar. Ausser Blättern können Gescheine und bei späteren Infektionen auch Trauben befallen werden.

Die Zeit von der Infektion bis zum Sichtbarwerden des «Ölfleckes» bezeichnet man als Inkubationszeit. Die Dauer der Inkubationszeit ist temperaturabhängig. Unter optimalen Bedingungen dauert die Inkubationszeit nur vier Tage.
Nach Ablauf der Inkubationszeit wachsen bei Temperaturen ab zirka zwölf Grad Celsius, absoluter Dunkelheit und mehrstündiger Blattnässe durch Regen oder Tau neue Sporangienträger durch die Spaltöffnungen (Ausbruch). Die daraus entlassenen Zoosporen führen bei Feuchtigkeit auf der Blattunterseite und Temperaturen zwischen 6 und 30 Grad Celsius zur zweiten Infektion. Der vorgenannte Ablauf wiederholt sich im Laufe des Sommers vielfach. Bei für Peronospora günstigen Witterungsbedingungen kommt es zu weiteren Infektionen, so dass sich die Krankheit epidemieartig ausbreiten kann.

Sommersporenform
Die Entwicklung erfolgt im Jahr mehrmals aufeinander.
1) Schnitt durch ein Rebblatt mit dem zwischen den Zellen wuchernden Pilzgeflecht.
2) Querschnitt eines Rebblattes. Aus der Spaltöffnung herauswachsende Sporenträger mit Sporenbehältern.
3) Sporenbehälter mit austretenden Schwärmsporen.
4) Schwärmsporen.
5) Schwärmer, Schwimmfäden abgestoßen.
6) Keimschlauch.
7) In die Öffnung eines Blattes einwachsender Keimschlauch.

Geschlechtliche Entwicklungsform
Bildung von befruchtenden Dauersporen (Wintersporen)
1a) Befruchtung der weiblichen Zelle
2a) Dickhäutige, Befruchtete Dauerspore (Winterspore)
3a) Keimschlauch mit Primärsporenbehältern, aus dem bis 60 Schwärmsporen hervorgehen

Zwischen dem Ausbruch und der Neuinfektion vergehen bei günstigen Bedingungen oftmals nur 4 Stunden. Besonders bei gewittrigen Starkregen können bis in den Sommer hinein Boden- und Blattinfektionen nebeneinander auftreten. Vorwiegend im Herbst bilden sich in befallenem Gewebe neue Oosporen (Wintersporen) als Voraussetzung für die Primärinfektion im kommenden Jahr.

Bekämpfung
Die einzelnen Sorten sind unterschiedlich anfällig für den Falschen Mehltau. Eine unzureichende Bekämpfung kann nicht nur eine negative Wirkung auf die Menge und die Qualität der Ernte haben, sondern, durch starken frühzeitigen Blattflächenverlust, auch eine Schwächung der Pflanze für das kommenden Jahr verursachen. Zum Schutz der Schweizer Weinberge gegen den Falschen Rebenmehltau müssen, je nach Region und jährlichen klimatischen Bedingungen, 6 bis 10 gezielte Behandlungen mit Fungiziden durchgeführt werden.

Der Termin für die erste Bekämpfung der Peronospora kann recht einfach und damit für die Praxis ohne grössere Hilfsmittel, aber auch recht differenziert mittels Agrarwetterstationen ermittelt werden. Praxisüblich ist bisher folgende Vorgehensweise:
Der amtliche Rebschutzdienst informiert darüber, ab wann die Keimfähigkeit der Wintersporen erreicht ist, was bei entsprechender Witterung zur Primärinfektion führen könnte. Von einer Primärinfektion muss ausgegangen werden, wenn nachfolgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Mindestens 10 mm Regen (zumindest teilweise als Platzregen) innerhalb von 2 - 3 Tagen
  • Mindestens 10 °C Lufttemperatur in diesem Zeitraum
  • Trieblänge 10 cm, da dann erst die Spaltöffnungen voll ausgebildet sind

Ab dem Datum der Primärinfektion wird die voraussichtliche Inkubationszeit dazugerechnet. Die Inkubationszeit wird anhand der jeweils regional ermittelten Temperaturverläufe vom amtlichen Rebschutzdienst ermittelt und bekannt gegeben. Vor Ablauf der Inkubationszeit ist zu behandeln, um die Zweitinfektion zu verhindern. Da die Inkubationszeit bei günstigen Witterungsbedingungen bis auf 4 Tage zurückgehen kann und bei «Peronosporawetter» ständig Infektionen stattfinden können, ist im weiteren Verlauf ein wirksamer Mittelbelag auf den grünen Rebteilen vorzuhalten. Die weiteren Spritzungen haben sich dann nach dem Witterungsverlauf, dem Ausmass des Neuzuwachses sowie der Wirkungsdauer der eingesetzten Mittel zu richten. Die Abschlussbehandlung erfolgt zu Reifebeginn (Rebentwicklungsstadium 81, ES 81).
Bei der Bekämpfung in Jungfeldern und Rebschulen ergeben sich geringfügige Abweichungen. Aufgrund des starken Neuzuwachses sind diese ab Mitte Juni bis Anfang September bei Verwendung von Kontaktfungiziden wöchentlich, bei Verwendung lokalsystemischer Mittel im Abstand von 10-14 Tagen zu spritzen.
Neben der beschriebenen bisher üblichen Vorgehensweise, besteht auch die Möglichkeit Peronospora auf der Basis von Prognosemodellen zu bekämpfen. Grundprinzip dieser Modelle ist die genaue Messung der für die Lebensweise und das Auftreten relevanten Daten. Da gewittrige Niederschläge regional sehr unterschiedlich auftreten, muss je nach Geländestruktur ein mehr oder weniger dichtes Netz von Agrarwetterstationen zur Verfügung stehen. Auf die nähere Beschreibung dieser Prognosemodelle wird hier verzichtet.

Im Rahmen eines modernen Weinbaus ist die Verwendung von Entscheidungshilfen, die die Entwicklung von Krankheitserregern zu modellieren, eine Möglichkeit, um die Bekämpfung besser zu steuern und den Einsatz von Fungiziden zu beschränken.
Das Experten-Modell VitiMeteo-Plasmopara, gemeinsam entwickelt durch Agroscope Changins-Wädenswil und das Weinbauinstitut von Freiburg im Breisgau (D), stellt ein wertvolles Instrument dar um die Entwicklung des Falschen Rebenmehltaus vorherzusehen. VitiMeteo-Plasmopara modelliert jede Entwicklungsetappe von Plasmopara viticola, mit den aus dem meteorologischen Stationsnetz gewonnen Daten und liefert so wichtige Angaben über die Infektionsereignisse. Seit 2005 ist das Modell für die Schweizer Weinbauern auf der Internetseite von AGROMETEO verfügbar. Das Modell ist sehr erfolgreich und wurde 2012 in allen Rebbauregionen der Schweiz und Deutschlands, sowie einigen Regionen Österreichs und den nördlichen Provinzen Italiens benutzt um das Auftreten des Falschen Rebenmehltaus zu modellieren.

Kupferpräparate sind erprobte Pflanzenschutzmittel.

 

Echter Mehltau (Oidium)

Schadbild
Der Echte Mehltau, auch als Oidium oder Äscherich bezeichnet, verursacht durch Erysiphe necator, ist eine häufig auftretende Rebenkrankheit in der Schweiz, vor allem im Wallis und im Lavaux. Je nach Witterungsverlauf ab Ende Mai/Anfang Juni zeigt sich der erste Befall häufig an den jungen Trieben, die dann im Wachstum zurückbleiben und einen grau-weissen Belag aufweisen (Zeigertriebe). Dieser wird verursacht durch das auf der Oberfläche wachsende Myzel und den sich daran bildenden Sporen. Von hier aus verbreitet sich der Pilz und kann dann alle grünen Rebteile infizieren. Der auf den infizierten Rebteilen erscheinende, weiss-graue, mehlige Belag lässt sich leicht abwischen. Das Myzel wächst auf der Oberfläche der grünen Rebteile und dringt nur mit Saugorganen (Haustorien) in das Pflanzengewebe ein. Infektionen am grünen Trieb und später auch am Holz sind an den so genannten Oidiumfiguren zu erkennen. Blattbefall beginnt in der Regel an der Blattunterseite, breitet sich aber auch auf die Blattoberseite aus. Trauben werden von Oidium bis zum Weichwerden der Beeren befallen. Die Beerenhaut wird zerstört, die Beeren platzen auf, die Samen werden sichtbar (Samenbruch). Der muffige Geruch, den die Trauben nach Oidiumbefall aufweisen, und die häufig folgende zusätzliche Fäulnis machen die befallenen Trauben für die Weingewinnung unbrauchbar..

Erreger
Der Pilz ist ein obligater Ektoparasit und wirtsspezifisch, das heisst er ist stets auf grünes Rebengewebe angewiesen und wächst auf der Pflanzenoberfläche.

Die Überwinterung erfolgt unter unseren Klimabedingungen als Myzel zwischen den Knospenschuppen der Winteraugen. Eine Überwinterung als Winterspore, wie sie vor allem in südlicheren Ländern vorkommt, tritt aber ebenfalls auf.

Bei Knospenbefall breiten sich die Hyphen mit Beginn des Knospenwachstums auf dem Pflanzengewebe aus. Damit ist ein Befall ab Austrieb möglich. Aus den befallen Trieben werden die so genannten Zeigertriebe, an denen eine sehr grosse Zahl an Konidien (Konidiosporen) entsteht, die durch den Wind schnell verbreitet werden. Gelangen die Sporen auf grünes Rebengewebe bilden sie bei Temperaturen ab 5 Grad Celsius und ab 40 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit einen Keimschlauch aus, der sich wieder zur Hyphe entwickelt. Im Gegensatz zum Falschen Mehltau benötigen sie dazu kein tropfbares Wasser.

Die Hyphen breiten sich auf dem Pflanzgewebe aus, heften sich mit so genannten Appressorien (Haftscheiben) an der Oberfläche von Epidermiszellen fest und treiben ein Haustorium (Saugfortsatz) in das Innere der Zellen um damit Nahrung aufzunehmen. Erhöhter Befallsdruck entsteht besonders bei Hochdruckwetterlagen mit kühlen Nächten und warmen Tagen. Diese Wetterkonstellation führt nachts meistens zu hoher Luftfeuchtigkeit mit Taubildung. Die Taubildung fördert die Sporenkeimung, und die hohen Tagestemperaturen fördern das Myzelwachstum. Auch wenn sich bei unbeständigem Wetter Regenschauer und Phasen mit hoher Luftfeuchtigkeit abwechseln, steigt die Oidiumgefahr an. Langanhaltende Blattnässe dagegen hemmt die Entwicklung des Pilzes.

Bekämpfung
Die einzelnen Sorten sind unterschiedlich anfällig für den Echten Mehltau. Bei ungenügender Bekämpfung, kann er einen beträchtlichen negativen Einfluss auf die Menge und die Qualität der Ernte haben. Die Bekämpfung des Echten Mehltaus in der Schweiz erfordert, je nach Region und den jährlichen klimatischen Gegebenheiten, 3 bis 10 Behandlungen mit wirksamen Fungiziden. Im Zuge eines verantwortungsbewussten Weinbaus, ist die Verwendung von Entscheidungshilfen die die Entwicklung des Erregers modellieren, eine Möglichkeit, um die Bekämpfung bzw. die Verwendung von Fungiziden zu optimieren. Das Modell VitiMeteo-Oidium, gemeinsam entwickelt von Agroscope Changins-Wädenswil und vom Weinbauinstitut von Freiburg im Breisgau (D) auf der Basis des OiDiag – Modells von W. Kast (D), ist ein wertvolles Werkzeug, um das Infektionsrisiko von Echtem Mehltau vorherzusagen. VitiMeteo-Oidium bezieht zwei Parameter ein um den Risikoindex zu kalkulieren. Es verwendet die spezifische Sensibilität im phänologischen Entwicklungsstadium der Rebe und die Wetterbedingungen, die für die Entwicklung des Krankheitserregers notwendig sind. Die Strategie der Modellanwendung ist es, die Reben möglichst gut zu schützen, während diese sehr empfindlich und die Wetterbedingungen für den Echten Mehltau günstig sind.

Bei starkem Vorjahresbefall, sichtbar an den so genannten «Oidiumfiguren» auf dem einjährigen Holz, ist mit der Bekämpfung ab dem Dreiblatt-Stadium (ES 13) zu beginnen. Ansonsten reicht es aus, erst bei Eintreten von für den Pilz günstigen Witterungsbedingungen mit der Bekämpfung zu beginnen. In den Hinweisen des amtlichen Rebschutzdienstes wird rechtzeitig auf eine derartige Situation hingewiesen.
Da sich das Oidiummyzel auf der Pflanzenoberfläche ausbreitet, besteht gegebenenfalls die Möglichkeit, durch Vernichtung des Myzels die weitere Verbreitung einzudämmen, wenn Mittel mit entsprechender (kurativer) Wirkung zugelassen sind und vertrieben werden. Geschädigte Zellen können aber nicht mehr geheilt werden. Die vorbeugende Bekämpfung steht daher auf alle Fälle im Vordergrund.
Die letzte Bekämpfung hat, wie bei der Peronospora, zu Reifebeginn (ES 81) zu erfolgen. Auch wenn die Beeren ab Reifebeginn nicht mehr befallen werden können, ist Spätbefall an den Blättern wegen des damit verbundenen Mostgewichtsverlustes nicht tolerierbar.

Als Bekämpfungsmittel stehen schwefelhaltige Oidium-Präparate und so genannte «organische Oidiumfungizide» zur Verfügung. Im Vorblütebereich wird vorrangig Netzschwefel empfohlen. Mit dem Einsatz von Schwefel vor der Blüte wird die Anwendung organischer Oidiumfungizide reduziert und damit eventuellen Resistenzen entgegengewirkt. Ausserdem bringt Schwefel in der vor der Blüte empfohlenen Anwendungskonzentration gute Zusatzwirkungen gegen die Kräuselmilbe und die Blattgallmilbe. Bei der letzten Vorblütebehandlung sollte bereits ein organisches Oidiumfungizid eingesetzt werden. Beim Einsatz organischer Oidiumfungizide sind unbedingt die Grundsätze des Antiresistenz-Managements (Wirkstoffwechsel) zu beachten.

Quellen: www.hortipendium.de  /  www.agrometeo.ch


Zurück