Einführungstext
(Gabriel Tinguely, September 2016)
Matthias Tobler was hat Sie bewogen ein Weingut in Südfrankreich zu kaufen?
Eigentlich hatten meine Frau und ich ein Segelboot kaufen wollen. Doch dann stellte mich mein Vater vor die Wahl. Wenn das Boot einen Tropfen Wasser sieht verliere ich die Hälfte des Betrages, sagte er. Wenn ich jedoch – mit meinem Vater als Teilhaber – in eine Immobilie investiere, in der auch er seine Ferien verbringen könne, dann würde er die Summe verdoppeln. Für mich war sofort klar, dass das Segelboot ein Traum bliebe und dass Reben im Vordergrund stehen müssen. Es war komplementär zum Berufsleben im Handelsbetrieb. Das Leben im Rhythmus der Natur, mit allen Unwegsamkeiten und Launen, hatte ich bis dahin vermisst. Nicht das der Handelsbetrieb zu wenig herausfordernd war, nein es war mehr zum Ausgleich. Meine Freizeit in den Reben, einem sehr schönen Weinbaugebiet zu verbringen, hat was erholendes, auch wenn es zuweilen sehr streng war. Nach drei Jahren der Suche wurden wir 1993 in Uchaux fündig.
Gab es Anfangsschwierigkeiten?
Natürlich war der Anfang nicht einfach, denn man Betritt fast komplettes Neuland. Ich hatte glücklicherweise in André Farjon, meinen ortsansässiger Freund und Partner, jemanden der mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Doch der schwierigste Moment war sicher derjenige des Unwetters am 8. September 2002, wo die ganze Ernte innert Stunden intensivsten Regens (432mm Niederschlag in 36 Stunden) teils gemischt mit Hagel, so kurz vor der Lese zerstört wurde. Ich glaube, wenn da jemand mit einem grossen Check gekommen wäre, hätte ich getauscht. Doch am andern Tag nach dem Unwetter, auf der Baumaschine eines Bekannten, welche ein paar hundert Kubikmeter Schlamm und Geschiebe geräumt hat, bei der wärmenden provenzalischen Sonne, hätte ich den Tausch bereut oder schon wieder rückgängig gemacht.
Was macht er anders als ortsansässige Winzer/Weinmacher?
Ich war immer ein wenig «Le Suisse», ein wenig Aussenseiter, denn meine Ratgeber waren ältere erfahrene Winzer und weniger die technikgläubigen Gleichaltrigen. Die wichtigsten waren der verstorbene Jacques Renaud, der Vater von André, welche mich mein Terroir durch Ihre Erfahrungen verstehen liessen. Ich brauchte einige Jahre bis ich den Zugang zu meinem Terroirs hatte und dann die richtigen Entscheide traf. Diese Begegnungen mit den Winzern waren für mich enorm wichtig, auch wenn sie zuweilen mit Ihren Theorien, wie eine Antithese zur «modernen Oenologie» standen. Ich habe von Ihnen viel gelernt und mein Wissen komplettiert.
Sicher fiel ich im Dorf auf, dass es fast ausnahmslos wir waren, die die letzte Parzelle ernteten (das heisst, wir haben mit der Ernte begonnen, wenn die andern Winzer bereits alles im Trockenen hatten). Auch stellten wir sehr schnell auf den biologischen Anbau um, der dann in der Biodynamie endete. Eine Erfahrung, die mir in der Grillette in Cressier/NE half. (Das Vorzeigeweingut Grillette – Domaine de Cressier im Kanton Neuenburg gehört Scherer & Bühler.)
Welches ist aktuell die grösste Herausforderung?
Im Moment ist für mich die grösste Herausforderung im Rebberg: Es gilt das Gleichgewicht zwischen den sehr alten Reben und den Nachpflanzungen zu finden. Denn die Krankheiten, wie Esca und auch der letztes Jahr erstmals aufgetretene Black Rot sind Herausforderungen auf die wir in der Biodynamie noch keine wirklich gute Rezepte haben. Die Mortalität unter den über 80 jährigen Rebstöcken ist daher leicht zunehmend.
Wie hoch ist der Anteil (in Prozent), den Sie in der Schweiz verkaufen?
Gut 80 Prozent der Ernte wird in der Schweiz verkauft.
Welches ist ihr Fazit?
Es ist und war bis zum heutigen Zeitpunkt ein sehr schönes Abenteuer, selbst für einen gut ausgebildeten „Wädenswiler“ (Ing Oenologe). Im Ausland einen Betrieb aufzubauen war nicht immer einfach. Es war manchmal ein steiniger Weg, der insgesamt viel Freude bereitet. Vielfach stellt man sich das einfacher vor. Doch ein gutes Netzwerk vor Ort ist für einen Erfolg unabdingbar.
Bezugsquelle: www.hess-selection.ch