Es breche einem Winzer eigentlich das Herz, sagt Urs Podzorski, Fachspezialist Weinbau beim Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg: Wein, den ein Winzer mit viel Leidenschaft und Arbeit aus den eigenen Trauben gewonnen hat, unter dem Wert verkaufen zu müssen. Allerdings seien aktuell viele Winzerinnen und Winzer genau zu genau diesem Schritt gezwungen. «Es ist ein Ausnahmejahr mit der Corona-Krise, deshalb braucht es auch ausserordentliche Massnahmen.»
Als während des Corona-Lockdowns die Restaurants geschlossen blieben und Feste, Feiern und andere Anlässe nicht mehr möglich waren, brach der Weinabsatz stark ein. Die Weinproduzenten, die sonst in die Gastronomie liefern, blieben auf ihrem Wein sitzen. Auch wenn sich der Weinabsatz nun langsam wieder normalisiert, sind die Lager doch noch übermässig stark gefüllt, an vielen Orten fehlt der Platz für den neuen Jahrgang.
Guten Wein extra schlecht machen
Die Lösung für das Problem heisst Deklassierung. Qualitätswein, der eigentlich ein AOC-Gütesiegel hätte, wird als Tafel- oder Industriewein verkauft oder in die Lebensmittelbranche geliefert. So gibt es wieder Platz für neuen Wein. Neben dem emotionalen hat die Deklassierung aber auch einen finanziellen Aspekt: Die Produzenten verdienen weniger an ihrem Wein.
Hier springt nun der Bund ein mit einem Hilfspaket im Umfang von zehn Millionen Franken. Er entschädigt die Winzer mit zwei Franken pro Liter Wein, den sie deklassieren. Der Betrag wird je nach Anteil der Weinproduktion auf die Kantone verteilt, auf den Aargau entfallen rund 250’000 Franken.
Es tut weh, aber nicht im Portemonnaie
Allerdings ist das Geld des Bundes an eine Bedingung geknüpft. Die Kantone müssen die maximale Traubenmenge reduzieren, die Winzer pro Quadratmeter produzieren dürfen. Diese Reduktion hat die Aargauer Regierung am Mittwoch im Amtsblatt publiziert.
Die Aargauer Weinbranche ist froh um das Hilfsprogramm, sagt Roland Michel, der Präsident des Branchenverbandes. «Selbstverständlich ist nicht jeder Winzer davon betroffen. Einige werden von diesem Hilfspaket nichts brauchen, andere, bei denen es um die Existenz geht, sind froh, dass ihnen der Staat unter die Arme greift.»
Entschädigung aber kaum Einschränkung
Froh sein können die Winzer auch darum, weil die Mengenbeschränkung bei der Traubenproduktion im Aargau nur sehr wenige Betriebe betreffen dürfte. In den letzten Jahren sei die Maximalmenge kaum je ausgeschöpft worden. Die Winzer würden den Ertrag von sich aus tiefer regulieren, sagt Branchenverbandspräsident Michel, das steigere auch die Qualität.
Somit gibt es für Aargauer Winzer nun eine Entschädigung des Bundes, falls sie ihren Wein unter Wert loswerden müssen. Eine Einschränkung bei der diesjährigen Ernte droht dennoch nicht.
(Quelle: SRF, Regionaljournal Aargau Solothurn)
Der Kanton Aargau ist der viertgrösste Weinproduzent der Deutschschweiz mit einem Rebenanbaugebiet von rund 400 Hektaren. Jährlich werden im Aargau daraus ca. 18’500 Hektoliter Wein produziert, was etwa 2,5 Millionen Flaschen entspricht. Die Hauptsorten sind Blauburgunder (Pinot Noir) und Riesling-Sylvaner. Der überwiegend grösste Teil des Weines wird als AOC-Qualitätswein verkauft, nur vier Prozent sind als Landwein klassiert. Beim Absatz des Weines zeigt sich im Aargau eine Dreiteilung. Rund ein Drittel der Trauben wird von Winzern selber gekeltert, ein Drittel wird in Lohnkeltereien zu Wein und ein weiteres Drittel der Trauben wird an externe Abnehmer verkauft.