2021-09-30

Wie robust sind Piwi-Reben?

Der Anteil der pilzresistenten Traubensorten in der Schweiz beträgt drei Prozent. Nicht nur aufgrund der diesjährigen Wetterkapriolen steigt das Interesse an ihnen stetig. Stellt sich die Frage: Welche Sorten eignen sich am besten und wie gut sind sie gegen den Echten und Falschen Mehltau geschützt? Piwi-Pionier Edy Geiger aus Thal/SG gibt im Folgenden seine Einschätzungen preis. Ergänzt werden sie durch die Sichtweise von Roman Baumann, der zusammen mit seiner Familie in Turtmann/VS eine breite Piwi-Palette anbaut.

Das Jahr 2021 ist geprägt durch einen sehr niederschlagsreichen Sommer. Je nach Region gab es über mehrere Wochen fast täglich Niederschläge oder Gewitter. Das feuchte und doch warme Wetter war ideal für die Entwicklung von Pilzkrankheiten in den Reben. Das unbeständige Wetter erschwerte es zudem, genügend grosse trockene Zeitfenster zu finden, um den nötigen Pflanzenschutz in den Rebbergen auszubringen. In dieser Situation dürfte bei Winzern oftmals der Gedanke aufgekommen sein, wie es mit Reben wäre, die gegen die Pilzkrankheiten eine gewisse Resistenz aufweisen.

Piwi im Aufwind
Zurzeit sind daher pilzwiderstandsfähige Reben (Piwis) oftmals im Gespräch. In den letzten Jahren sind zudem verschiedene neue Piwi-Sorten auf den Markt gekommen. Leider sind über diese neuen Piwi-Sorten nur sehr wenig Informationen erhältlich, insbesondere bezüglich deren Widerstandskraft. Bei den meisten Versuchspflanzungen werden vorsorglich mehrere Spritzungen gemacht. Damit erfährt man kaum, welche Sorten robuster sind und welche weniger.

Die Anfälligkeit aller Reben gegen Pilzkrankheiten ist stark vom Mikroklima der jeweiligen Parzelle abhängig. Die spürbar wärmeren Temperaturen als Resultat der Klimaerwärmung haben zur Folge, dass Reblagen, die früher als «Hitzekessel» gesucht waren, nun eher im Nachteil sind. Beim feuchten und warmen Wetter ist eine gute Durchlüftung eine grosse Hilfe gegen Pilzinfektionen.

Nach meinen Erfahrungen ist auch die Düngung ein Förderer für Pilzkrankheiten. Ich verzichte seit über 30 Jahren auf eine Düngung. Nur Jungpflanzen bekommen etwas Kompost oder Mist. Das Holz vom Rebschnitt und das Gras bleiben im Rebberg. Damit steigt der Humusgehalt sehr bald auf hohe Werte. Da der Boden der Piwi-Reben zudem nicht mit Spritzmitteln belastet wird, ist die Bodenaktivität so gross, dass sich auch ohne Düngung immer noch der Norm entsprechende Erträge ergeben.

Klimaerwärmung
In den über 30 Jahren meiner Versuche musste ich auch feststellen, dass sich die Klimaerwärmung immer negativer bemerkbar macht. Schon vor rund 20 Jahren sah ich in Südtirol Piwi-Reben mit Totalausfall. Die gleichen Sorten waren in unserer Region jedoch unproblematisch im Anbau. Jetzt muss festgestellt werden, dass diese früher bei uns genügende Resistenz infolge des wärmeren Klimas ebenfalls nicht mehr ausreicht. Es handelt sich hier nicht um ein Nachlassen der Resistenz, sondern der Krankheitsbefall ist die eindeutige Folge der nun auch bei uns erhöhten Temperaturen.

Bericht aus der Praxis
Seit mehreren Jahrzehnten betreibe ich einen Sortengarten am Buechberg in Thal/SG. Von den verschiedensten Züchtern konnte ich oft schon sehr früh in der Testphase erste Setzlinge erwerben. Meistens sahen diese Reben bei den Züchtern sehr gut aus. Ich stellte jedoch fest, dass diese neuen Traubensorten am besten an das Klima am Standort der Züchtung angepasst sind. So testete ich diverse Sorten aus Gebieten mit wenigen Niederschlägen. In Thal liegen die Jahresniederschläge im Schnitt bei ca. 1300 mm pro Jahr. Bei diesen Niederschlagsmengen waren diese Reben ohne Pflanzenschutz oft nicht lebensfähig. So musste ich in all den Jahren Dutzende von Sorten schon nach wenigen Jahren ersetzen. Um wirklich eindeutige Ergebnisse zu erzielen, wurde in der gesamten Zeit auf jeglichen Pflanzenschutz im Sortengarten verzichtet. Damit zeigte sich, dass viele Sorten nur eine relativ geringe Resistenz aufweisen, während andere Piwi-Sorten über Jahrzehnte ohne jeglichen Pflanzenschutz besten Ertrag bringen.

Klimatische Herausforderungen
Das spezielle Jahr 2021 wirkte sich wiederum sehr selektiv aus und liess verschiedene Sorten einbrechen, die in anderen Jahren ohne Krankheitsbefall bestehen konnten. Thal verzeichnete im Jahr 2021 bis Ende August 1040 mm Niederschlag. So gibt es Sorten mit Totalausfall und direkt daneben steht eine resistentere Sorte ohne jegliche Anzeichen einer Krankheit. Mir scheint, als ob die Pflanzen im Sortengarten ohne Pflanzenschutz merken würden, dass sie auf sich selbst gestellt sind. So wehren sich diejenigen, deren Resistenz ausreicht, erfolgreich gegen die Angriffe der Pilzkrankheiten. Nach meinen Feststellungen ist auch die oft verbreitete Angst vor einem Krankheitsherd nicht begründet. Es muss nicht immer alles sauber sein. Einige unbehandelte Stöcke in einer Rebparzelle bringen dem Winzer enorm viele wertvolle Erkenntnisse. Wenn immer alles behandelt wird, kann man nicht feststellen, wie viel davon nicht nötig gewesen wäre. Auch wächst die Sensibilität für das Wetter. Man kann erfahren, wann es ungefährlich ist und wann sich der Pilz plötzlich ausbreitet. Zudem merkt man erst am Spritzfenster, dass im Spritzplan des Beraters Reserven eingebaut sind. Der Sortengarten stellt keine reine Monokultur mehr dar und ist eventuell auch deshalb eher widerstands­fähiger als die normalen Rebparzellen. Der gemischte Satz könnte daher eine Verbesserung bringen.

Quelle: Die Rote: Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW) Edy Geiger, Winzer in Thal/SG, Martin Matzner, Chefredaktor SZOW

Die Situation im Wallis

Sichtweise von Roman Baumann aus Turtmann/VS
«Dieses Jahr wird als das Jahr des Falschen Mehltaus in die Annalen des Walliser Weinbaus eingehen», schrieb der Waliser Bote Ende August und bezog sich auf die Tatsache, dass diese Pilzkrankheit noch kaum je ein Problem im Walliser Weinbau darstellte. Weil viele Winzer nicht oder zu spät reagierten, erlitten sie einen Totalausfall. Anders sieht es auf dem Weingut Diroso in Turtmann/VS aus. Hier bewirtschaftet die Familie Baumann vier Hektaren Reben, rund die Hälfte der Fläche ist bereits mit Piwi-Reben bestockt. Somit hat sich eine spannende Vergleichsmöglichkeit ergeben. Wie Roman Baumann auf Anfrage erläutert, haben sich die Europäerreben sehr unterschiedlich geschlagen: «Normalerweise spritzen wir beispielsweise Pinot Noir, Gamay, Johannisberg, Heida oder Merlot fünf- bis sechsmal pro Jahr mit Kupfer und Schwefel. Heuer waren es bei den meisten Sorten und Parzellen neun Applikationen, bei Merlot sogar elf. Trotzdem müssen wir beim Merlot einen Totalausfall hinnehmen. Bei den anderen traditionellen Sorten zeichnet sich ein Mehltaubedingter Ausfall von zirka 10 bis 30 Prozent ab.» Es muss jedoch differenziert werden. Wie der Walliser Winzer klarstellt, sieht es vor allem im untersten Teil des Oberwallis schlimm aus, während es weiter östlich, z.B. im Vispertal, kaum Probleme gab. Zudem gab es Einbussen wegen des Kälteeinbruchs im April.

Situation bei den Piwi-Sorten
Grundsätzlich stellt Baumann fest, dass die Piwi-Sorten dem Pilzdruck standhalten konnten. Die Ausfälle sind klein. Dies ist auch deshalb erwähnenswert, weil die Anzahl Behandlungen mit Pflanzenschutz, bestehend aus Netzschwefel resp. der Bordeaux-Brühe, im Rahmen des allgemein Empfohlenen liegt. Mit der Bordeaux-Brühe zweimal behandelt wurden Cabernet blanc, die Valentin Blattner-Sorte Cal 1–15 und der Souvignier gris. Mit einer Gelbschwefelbehandlung und einmal Bordeaux-Brühe kamen aus: Regent, Bianca und der Johanniter. Nur einmal eine Netzschwefelbehandlung erfolgte beim Chambourcin, dem Pinotin und der weissen Sorte Gf.Ga. 48–12. Gänzlich ohne Behandlung kamen Solaris, Maréchal Foch, Léon Millot, Cal-1–22, Cal 1–36, Cabernet Jura und Divico aus.

Quelle: Die Rote: Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau (SZOW)


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