2021-12-27

Kochen mit Wein: das Experiment

Wein verleiht vielen Gerichten einen besonderen Pfiff. Lesen Sie dazu den Beitrag «Kochen mit Wein sorgt für den Säurekick». Doch bei der Wahl des Weines wird in den meisten Rezepten nur zwischen Weiss- und Rotwein unterschieden. Natürlich kann mit Grand-Cru-Wein gekocht werden. Doch wird das Essen damit wirklich besser als mit einer günstigeren Qualität? weinlandschweiz.ch machte die Probe aufs Exempel mit Coq au vin und Boeuf à la mode.

Unterschiedliche Weine für ein spannendes Experiment. (Bilder Gabriel Tinguely)

Für beide Rezepte wurden dreimal die gleichen Mengen (siehe rechte Spalte) exakt gleich zubereitet und in je einer Flasche Wein als einziger Flüssigkeit gegart. Mit dem grossen Quantum Wein sollte herausgefunden werden, wie intensiv der Charakter des jeweiligen Weines sich im Gericht wiederfindet.

Dreimal exakt die gleichen Zutaten wurden abgewogen.

Für den Coq au vin wurden ein eher neutraler, säurearmer, ein säurerreicher und ein sehr aromatischer Wein gewählt:

  • Château de Chatagnereaz 1er Grand Cru Chasselas 2011, Mont-sur-Rolle, La Côte AOC, mit tief zitronengelber Farbe. In der Nase duftete der Chasselas dezent nach Lindenblüten, Zitronenzeste, kandierter Zitrone und weissem Pfirsich. Auf die cremig-buttrige Textur, die von Kohlensäure aufgemischt wurde, folgten sehr wenig Säure, süsser Pfirsich in Butter gebraten, salzige Noten im Abgang sowie Zitronenzeste und Pfirsich im Nachhall. 12 % Vol.
  • Piagne, AOC Blanc de Morgex et de La Salle, Vallée d’Aoste, Cave du Vin Blanc de Morgex et de La Salle aus der Rebsorte Prié Blanc. Tiefes Zitronengelb. Nasse Steine, Zitrone und grüne Birne sind die kühlen, dezenten Aromen in der Nase. Am Gaumen fällt die sehr hohe Säure auf. Darauf folgen Zitrusfrüchte, grüne Birne, wenige Aromen und fruchtbittere Aromen im Abgang mit mineralisch salzigem Nachhall. 12 % Vol. Anstelle dieses Weines hätte auch ein Sancerre, ein Riesling oder ein anderer Weisswein mit sehr hoher Säure verwendet werden können.
  • Gewürztraminer Grand Cru 2011, AOC Bex, Cave du Courset. Auch dieser Wein leuchtet tief Zitronengelb im Glas. Das offene Bouquet duftet intensiv nach Erdbeeren, Litschi und Rosen. Auf den fülligen Auftakt und eher wenig Säure folgen auch am Gaumen intensive Aromen: Litschi, Erdbeere, Grapefruit. Langanhaltend mit salzigem Nachhall. 12,5 % Vol.

In allen drei Zubereitungen haben die Pilze den Alkohol wie Schwämme aufgesogen. Der milde Chasselas ergab eine feine Sauce. Die kräftige Säure des Prié Blanc sorgte auch in der Sauce für markige Akzente. Beim Gewürztraminer reduzierte die Hitze die Aromen zwar, doch sie waren in der Sauce immer noch deutlich schmeckbar.

Die zum Kochen verwendeten Weine konnten den Gerichten als Essensbegleiter Parole bieten. Besser noch harmonierte der kräftigere L’Essen’Ciel von Désiré Petit aus Arbois-Pupillin (Jura, FR), ein in Barriques ausgebauter Savagnin Blanc ouillé. Ouillé bedeutet, dass das Fass immer spundvoll gehalten wird. Im Gegensatz nimmt der «sous voile», unter einem Hefeflor, gereifte Vin jaune nussige Aromen an. Auch die Cuvée Milo, eine maischenvergorene und in Barriques ausgebaute Assemblage aus Heida, Muscat und Johannisberg von Romain Cipolla aus Raron/VS, passte hervorragend zu den weinigen Saucen.

Die Farbunterschiede der drei Saucen sind auf dem Bild nicht zu erkennen.

Für den Rindsragout mit Karotten wurden ein eher filigraner säurearmer, ein tanninreicher und ein sehr farbintensiver, fruchtsüsser Wein gewählt:

  • Der helle, rubinrote Blauburgunder 2009 Villnachern Sommerhalde, AOC Aargau, von Bruno Hartmann hatte einen gereiften Beerenduft, jedoch keine Anzeichen von Oxidation. Sein geschmeidiger Körper überzeugte mit filigraner Frucht, wenig Säure und weichen Tanninen. 13,5 % Vol.
  • Gamma 2011, IGP Pays de l’Aude (FR) von der Domaine des Espérances, die im Besitz der Schweizer Familie Marty ist, ist eine Assemblage von 60 % Syrah Bio und 40 % Grenache. Sein immer noch kräftiges Rubin, hat zwar etwas von seiner violetten Farbe verloren und in From von Depot ausgeschieden. Doch auf intensiven Kirschenduft und noten von schwarze Beeren in der Nase folgten am Gaumen feste, präsente aber nicht mehr pelzige Tannine. 13,5 % Vol.
  • Der dritte Wein entsprach nicht der Vorstellung von farbintensiv und fruchtüss. Deshalb musste kurzerhand improvisiert werden. Fünf Deziliter gab eine Flasche Ruby Port von Nieport her. Für die restlichen 2,5 Deziliter musste La Compagnon 2004 von Ledogar aus dem Corbières (FR) herhalten. La Compagnon, eine Assemblage von Grenache 60 %, Carignan et Mourvèdre 30% sowie Syrah 10%, war in der Jugend tief Violett. Er hat seine Farbe mit der Reife eingebüsst, hatte aber immer noch den fruchtigen Schmelz.Nur Ruby Port wäre mit 19,5 % Vol. Alkohol zu mächtig gewesen und hätte auch mit seinen fruchtbitteren Noten dominiert. Hier könnten auch Regent, Primitivo, Aglianico oder Nero d’Avola verwendet werden.

Die zum Kochen verwendeten Weine waren Einzelflaschen. Ähnliche Weine wie der Blauburgunder Salvia 2009 AOC Remigen von Bruno Hartmann, der Syrah 2009 von der Domaine des Espérances oder der Carignan 2005 von Ledogar passten hervorragend. Der Grimbart 2016, ein wildfruchtiger Pinot Noir von Stephan Herter aus Hettlingen/ZH, harmonierte mit allen drei Zubereitungen. Nicht warm wurden die Verkoster mit dem Château Montus 2000 aus dem Madiran (Südwestfrankreich). Dessen markigen und unreifen Tannine ergaben mit keinem der drei Gerichte Hochgenuss.

Das mit Blauburgunder zubereitete Boeuf à la mode hatt eine sehr feine Sauce, die mehr an Umami erinnerte als an Wein. Fast hätte man meinen können, die Sauce sei mit Kalbsfond angesetzt gewesen. Die kräftigen Tannine des Gamma hoben die Gewürznoten des Pfeffers und der Lorbeerblätter hervor. Auch setzten die Tannine einen spannenden Kontrapunkt zur Süsse des Fleisches und der Karotten. Wie erwartet kräftig, war die Portweinsauce. Sie kumulierte dessen Süsse, die fruchtbitteren Noten und schärfe des Alkohols.

Ein anspruchsvolles Food-Pairing.

Die Schlussfolgerung(en)
Säurebetonte Weine sorgen für einen Frischekick. Damit der Wein im Gericht wahrnehmbar ist, sollte dieser eher von kräftiger Statur sein. Auch wenn alle drei Weissweine interessante Coq au vin ergaben, wurde in Erinneerung von einem Coq au Vin jaune geschwärmt. Wer also einen (positiv) oxidierten Wein nicht mehr trinken möchte, sollte damit unbedingt Coq au vin zubereiten.

Auch beim Rindsragout hat die feine Blauburgundersauce genausogut gefallen wie die beiden um einiges kräftigeren Varianten. In der Preisklasse lagen die drei Flaschen zwischen 13.50 und 22 Franken.

Offene Fragen und Anregungen für weitere Experimente

  • Wo bleibt Italien? Abgesehen vom Prié Blanc aus dem Aostatal fehlten Weine aus Italien. Dies obwohl im Piemont der Brasato al Barolo ein Klassiker ist. Der Edel-Nebbiolo bewegt sich farbmässig im Bereich des Pinot Noir. In Bezug auf die Tannine spielt er jedoch in einer ganz anderen Liga. Anstelle von teurem Barolo gelingt ein Brasato auch mit günstigerem Nebbiolo delle Langhe – nur sollte dann auf die Bezichnung «al Barolo» verzichtet werden. Auch die Toskana liefert säure- und tanninbetonte Weine aus Sangiovese-Trauben.
  • Was bringt Süsse? Das Experiment mit dem Portwein lässt erahnen wie ein Coq au Riesling mit einem Wein von der Mosel schmecken könnte. Neben der Säure käme dabei auch die Süsse ins Spiel.
  • Wieviel Wein braucht es? Im Kleinen kann ein Kilo Fleisch in einer Flasche Wein gegart werden. Der Charakter des Weins prägt dabei den Geschmack des Gerichts. Gemäss den meisten Rezepten in Kochbüchern würde das besagte Kilo Fleisch mit einem bis zwei Deziliter Wein und fünf bis sechs Deziliter Fond oder Brühe aufgegossen. Die Frage nach der Menge Wein, die es braucht, um dessen Charakter im Gericht zu schmecken, gilt es in einem weiteren Experiment herauszufinden.

Gabriel Tinguely

 

 

 


Indietro

Rezepte

Coq au vin
1 kg Oberschenkel (8 Stück) vom Schweizer Poulet in wenig Olivenöl anbraten und in einen Schmortopf geben.

100 g Champignons, in Achtel geschnitten über dem Poulet verteilen.

100 g Zwiebel, grob gehackt, mit

40 g Frühstücksspeck, in feine Streifen geschnitten, anrösten und über dem Poulet verteilen.

8 g Salz und

Pfeffer aus der Mühle dazugeben.

25 g Mehl in

1 Flasche Wein auflösen und zum Poulet giessen. Eine Stunde bei moderater Hitze köcheln.

 

Boeuf à la mode
1 kg Rindfleisch von der Schulter, in Ragoutstücke geschnitten, portionenweise anbraten.
150 g Karotten, in Rondellen geschnitten, mit
130 g Zwiebel, grob gehackt, und
2 Knoblauchzehen, grob gehackt, dazugeben, mitrösten und in einen Schmortopf geben.
4 Lorbeerblätter
10 g Salz und
Pfeffer aus der Mühle, dazugeben
25 g Mehl in
1 Flasche Wein auflösen und über das Fleischgiessen. Bei moderater Hitze zwei Stunden köcheln. Das Fleisch in der Sauce auskühlen und über die Nacht durchziehen lassen. Aufkochen und servieren.

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