Chaos, Panne und Banalitäten – die Präsentation der Resultate der 18. Austragung der Séléciton des Vins de Genève stand unter keinem guten Stern. Ein Resumé mit bitterem Nachgeschmack.
Ich hätte den Nachmittag auf dem schattigen Ostbalkon verbringen können. Dort in der ergonomisch optimal geformten Altorfer Liege Blatt für Blatt den obligaten Lesestoff abzubauen, wäre eine Option gewesen. Aber nein, für diesen brütend heissen 21. Juni hatte ich mich bereits vor längerer Zeit zur Preisverleihung der Séléction des Vins de Genève angemeldet. Dazu kam am Vorabend die Einladung, als Juror für den Prix de la Presse zu amten. Easy, ich kanns richten, wollte ja eh nach Genf. Auf 16 Uhr hat man mich aufgeboten. Weil Wein, Hitze und Autofahren keine optimale Kombination sind, entscheide ich mich in einem klimatisierten Wagen der SBB zu reisen. Wie es der öffentliche Verkehr auf sich hat, trifft man dabei entweder zu früh oder zu spät am Ort des Geschehens ein. Ich habe mich für die Variante «zu früh» entschieden. Selber Schuld Deutschschweizer Quadratkopf, musste ich mir sagen. Denn der Anlass begann weder pünktlich, noch mit einer viertel oder halben Stunde Verspätung, sondern geschlagene 45 Minuten nach der angekündigten Zeit. Eine zusätzliche Stunde Altorfer Liege auf dem Ostbalkon hätte locker drin gelegen.
Nach knapp 1000 Zeichen Einführung beginnt das Chaos
Acht Vertreter der Presse – alles Alphatiere – verkosten rote Assemblagen. Die ersten vier Weine werden eingeschenkt. Zweimal Jahrgang 2016 und zwei 2015er, alle ohne Holzausbau. Und es geht darum aus den vier absolut passablen Kresenzen einen Favoriten auszuwählen.
Alle Weine wurden von einer kompetenten Jury nach der 100-Punkte-Skala verkostet. Die Jury der Pressevertreter hatte lediglich die Aufgabe, aus den zehn höchstbewerteten Gewächsen einen Liebling herauszufiltern. In der Regel werden dazu 4er-Serien eingeschenkt. Der Wein, der einem persönlich am besten gefällt erhält eine Eins, der Zweitbeste eine Zwei und so weiter. Aufgepasst, jetzt wird es extrem schwierig. Befindet sich der bevorzugt Wein im Glas drei, der Zweitbeste im Glas eins, der Drittbeste im Glas vier und derjenige, der am wenigsten gefällt im Glas zwei, ergibt sich folgende Zahlenreihe als Resultat: 2413. Der Vorsitzende berechnet den Durchschnitt gemäss der folgenden Tabelle:
Wein 1 |
Wein 2 |
Wein 3 |
Wein 4 |
|
Verkoster 1 |
2 | 4 | 1 | 3 |
Verkoster 2 |
1 | 3 | 2 | 4 |
Verkoster 3 |
3 | 4 | 2 | 1 |
Verkoster 4 |
2 | 1 | 4 | 4 |
Verkoster 5 |
1 | 2 | 3 | 4 |
9 | 14 | 12 | 14 |
Der Wein 1 hat eher gefallen, erhält demzufolge am wenigsten Punkte und ist eine Runde weiter. Dieses System funktioniert bei Terravin und früher auch bei den Etoiles du Valais.
Allein dieses Bewertungsmethode zu erklären, zu verstehen, anzuwenden und ein erstes Ergebnis zu erzielen dauert eine halbe Stunde. Wein zwei und drei sind punktemässig eine Runde weiter. Eine Dame, der der Wein eins am besten gefallen hat, erhebt lautstark Einspruch. In der Folge wird eine weitere halbe Stunde über die Methode, die Weine und persönliches Empfinden disputiert. Mit dem Ergebnis, dass nur ein Wein ausscheidet und drei in die nächste Runde kommen. Darunter auch der einfachste und kommerziellste.
Darauf folgt eine 3er-Serie 2015er aus dem Holz. Erstaunlicherweise kann sich die Runde rasch auf einen Favoriten einigen. In der dritten Serie, wieder drei 2015er aus dem Holz, einigt man sich bei zwei Enthaltungen auf ein Gewächs. Dies nach einer weiteren hitzigen Diskussion – einige Juroren wollten keine Flasche aus der dritten Serie in das Finale senden. Schliesslich machte der Wein mit den intensivsten Röst- und Holzaromen das Rennen.
Im Finale stehen sich also fünf Weine gegenüber: drei von vier ohne Holz und zwei von sechs mit ach und krach gewählte Vertreter aus dem Holz. Dem Verhältnis und den Präferenzen folgend, müsste eigentlich ein Wein ohne Holz gewinnen. Das würde auch der Logik entsprechen, dass Weinjournalisten für einen dezenteren Holzeinsatz plädieren. Wenn überhaupt Holz, dann ganz subtile Noten liegt im internationalen Trend.
Doch es kam anders. Die Kakofonie hat die Vernunft besiegt. Drei Journalisten votierten für Frucht fünf für Holz. Zugegeben, bei 30 Grad Celsius im Schatten ist es nicht einfach rote Assemblagen zu verkosten. Dies obwohl die Temperatur der zu verkostenden Weine angenehm und die Gläser ganz in Ordnung waren. Spannend wäre es zu wissen gewesen, welchen Belastungen die Flaschen ausgesetzt waren. Denn der «coup de coeur de la presse» zeigte sich für mich als wilder, ungehobelter Bursche mit aufgesetzten Röstnoten, vordergründigem Holzton und grauenvoll bitterem Abgang.
Nach der Preisverleihung der Selection des vins de Genève im Innenhof des Hôtel de la Ville konnten die 55 mit Gold ausgezeichneten Weine verkostet werden. Darunter auch die mit Sonderpreisen geehrten Crus. Dabei kam mir der Esprit de Genève von Olivier Conne aus Peissy erneut ins Glas. Und der präsentierte mit schwarzbeeriger Frucht, feiner Säure, stoffigem Körper und eingebundenen Tanninen ein ganz anderes Aromenbild als die Flasche, von der ich am Nachmittag verkostete.
Die hitzigen und emotionsgeladenen Diskussionen am Nachmittag wurden zu einem Drama aufgebaut. Im Nachhinein kann man die nicht ganz lupenreine Übung – vier der fünf Finalisten reiften im Holz – mit einem Schmunzeln als heitere Komödie klassieren.
Die Gewinner in den verschiedenen Kategorien. Details dazu gibt es in der Broschüre weiter unten. (Bild zVg)
Wer nun Lust auf die Pannen und Banalitäten des offiziellen Teils hat, kann sich diese hier ansehen.
Es war nicht die originellste Präsentation der Selection des Vins de Genève. Doch die ausgezeichneten Gewächse der Jahrgänge 2016 und 2015 zeigten sich in Hochform. Die von mir verschmähte Assemblage, präsentierte sich als ganz anderer Wein und gehörte zu meinen absoluten Favoriten. Es handelte sich um den L’Esprit de Genève von der Domaine des Charmes.
Mit einem Klick auf das Bild können Sie die Broschüre mit allen Goldgewinnern herunterladen.